Samstag, 27. August 2011

Die Rückgabe illegal adoptierter Kinder

Ein Gericht in Guatemala hat vor einigen Wochen die Rückgabe eines in die USA adoptierten sechsjährigen Mädchens angeordnet. Karen Abigail  - mit richtigem Namen Anyelí Liseth Hernández Rodríguez -wurde im Alter von 2 Jahren vor dem Haus ihrer Eltern in Guatemala entführt. Ihre Eltern zeigten die Entführung sofort bei der Polizei an. Dennoch suchte die Mutter vier Jahre lang nach ihrer Tochter und musste in einen Hungerstreik treten, damit die Behörden ihr bei der Suche halfen. Sie fand das Foto ihrer Tochter in Akten von Kindern, die in die USA adoptiert wurden. Die Adoption basierte auf gefälschten Dokumenten und Zeugenaussagen sowie einer gefälschten DNA. Mittlerweile wurden acht Personen im Zusammenhang mit dem Kinderhandel in Guatemala vor Gericht gestellt. Den Adoptiveltern droht ein Zwangsgeld von $380 und die Einschaltung von Interpol, wenn sie das Kind nicht aushändigen.

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Adoptiveltern von der Entführung und den gefälschten Papieren wussten. Bislang äußerten sich die Adoptiveltern vor der Presse über eine Mitteilung, in denen sie aussagten, dass sie "weiterhin für die Sicherheit und Interessen ihres legal adoptierten Kindes eintreten. Sie werden dafür sorgen, dass ihre Tochter vor einer weiteren Traumatisierung geschützt wird und werden die wahre Herkunft durch legale Kanäle feststellen lassen."

Das Gerichtsurteil ist wegweisend im Umgang mit kriminellen Praktiken in internationalen Adoptionen und ein Präzendenzfall. Es ist schwer abzusehen, ob das Urteil in den USA vollstreckt werden kann. Sollte es vollstreckt werden?

Für Adoptiveltern kommt dieser Fall und das Urteil einem Albtraum gleich. Dem Kind und seinen Eltern wurde großes Unrecht angetan. Ein kleines Kind wurde ohne Not von seinen Eltern getrennt und zur Adoption freigegeben. Die Motive der Täter waren eindeutig kriminell. Ein klarer Fall von Kinderhandel. Die Konsequenz der Rückgabe "ihres Kindes", um das sie sich vier Jahre lang als Eltern gekümmert haben, ist herzzerreißend und für alle Beteiligte tragisch. Dennoch gibt es aus ethischer Perspektive kaum einen Grund, sich diesem Anliegen zu verweigern.

In dem hier beschriebenen Fall fehlte der Adoption die rechtliche wie auch die ethische Grundlage. Das Kind hat leibliche Eltern, die für es sorgen können und wollen. Die Rechte der Eltern und des Kindes wurden durch die Entführung massiv verletzt. Das Kind wurde in einem frühen Alter durch die Entführung traumatisiert.

Die Adoptiveltern könnten (und werden wahrscheinlich) argumentieren, dass eine Rückgabe das Kind erneut traumatisiert und nicht seinem Wohl dient. Das ist zwar möglich; die Alternative ist allerdings nicht weniger traumatisierend: Sie würden dem Kind seine leiblichen Eltern vorenthalten, die es aus legitimen Gründen zurückfordern. Ihr eigene Elternrolle würde auf einer Straftat basieren, an der sie zwar keinen Anteil hatten, ohne die sie jedoch das Kind nicht hätten adoptieren können.

Man kann auch nicht als Grund anführen, dass das Kind in einen neuen Kulturkreis versetzt würde, dessen Sprache und Gebräuche es nicht kennt. Das ist in Auslandsadoptionen gang und gäbe.

Wir wissen noch nicht, welchen Weg die Adoptiveltern einschlagen werden. Sie können in Guatemala in Berufung gehen und es ist wahrscheinlich, dass sie sich gegen das Urteil wehren. Man kann nur hoffen, dass sie und die leiblichen Eltern eine gemeinsame Lösung im Interesse von Anyeli suchen und finden.

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