Donnerstag, 31. Mai 2012

Africa: The New Frontier for Intercountry Adoption

Das African Child Policy Forum hat einen lesenswerten Bericht über Adoptionen aus Afrika veröffentlicht. Er enthält wesentliche rechtliche Informationen zur internationalen Adoption wie auch eine Analyse der unterschiedlichen Praktiken und Herausforderungen in den afrikanischen Ländern. Fragen der Subsidiarität werden ebenso besprochen wie Alternativen zur Internationalen Adoption. Der Bericht schließt mit einer Reihe von Empfehlungen. Dazu gehört die Aufforderung, die Datenlage über adoptierte und adoptierbare Kinder in Afrika zu verbessern. Eine Empfehlung, der man sich uneingeschränkt anschließen kann.

AcPf (2012).
Africa: The New Frontier for Intercountry Adoption. Addis Ababa: The African child Policy forum.

Mittwoch, 30. Mai 2012

Dramatischer Anstieg von Adoptionen in Afrika

Das African Child Policy Forum in Addis Abeba berichtet nach Angaben der BBC, dass internationale Adoptionen aus Afrika in den letzten acht Jahren um 400% gestiegen sind. Aber viele afrikanische Länder hätten nicht die notwenigen Voraussetzungen, um Kinder vor Kinderhandel zu schützen.

"Adoptionen sind heute kommerzialisiert” sagt David Mugawe vom African Child Policy Forum. Die Mehrheit der sogenannten Waisen aus Afrika habe mindestens einen Elternteil und viele Kinder würden von ihren Eltern verkauft.

Seit 2004 wurden über 41.000 Kinder aus Afrika adoptiert. In den Jahren 2009 und 2010 kamen mehr als zwei Drittel aus Äthiopien. Nach Angaben des ACPF gibt es in Äthiopien heute mehr als 70 Adoptionsvermittlungsstellen.

Nur 13 afrikanische Länder haben die Haager Konvention ratifiziert, die Standards für Internationale Adoptionen vorgibt, um Kinderhandel auszuschliessen. Der Bericht betont: Die Pflicht ist bei den Ländern Afrikas, Maßnahmen zu ergreifen, um Familien und Gemeinschaft zu stärken, um die Kinder im eigenen Land aufwachsen zu lassen.

Montag, 21. Mai 2012

Ein weiteres Schicksal

Ein Leser oder eine Leserin schickte uns den link zu einem Bericht über ein weiteres Schicksal einer fehlgeschlagenen Adoption. Nach Angaben des 12jährigen Jungen Tadesse wurde er von einem Amerikaner adoptiert, der ihn mit nach Washington nahm und über ein Jahr zuhause unterrichten ließ. Danach kehrte er nach Äthiopien zurück, lernte eine Frau kennen, die von dem Kind nichts wissen wollte, und ließ ihn in einem Hotel zurück. Die International Organisation of Migration (IOM) kümmert sich nun um den Jungen. Der angebliche Adoptivvater bestreitet die Geschichte.

Sonntag, 20. Mai 2012

Drei Schicksale

Die Schicksale von drei international adoptierten Kinder beherrschen zurzeit die Diskussion über ethische Adoptionen in den USA. Alle drei Geschichten sind sehr unterschiedlich, aber gleichermaßen traurig. Es geht bei diesen Fällen in erster Linie um menschliches Fehlverhalten, aber auch um die Frage, wie es verhindert werden kann.

Artyom Hansen ist ein aus Russland adoptierter Junge, der von seiner Adoptivmutter im Alter von sieben Jahren unbegleitet und mit einem Brief versehen nach Moskau geschickt wurde. In dem Brief stand, dass sie nicht mehr seine Mutter sein wolle. Der Junge wurde danach zum Spielball einer russisch-amerikanischen Auseinandersetzung, bei der zunächst alle Adoptionen ausgesetzt wurden. Er lebt seitdem in einem SOS Kinderdorf in Russland. In den USA wurde nun das gerichtliche Nachspiel entschieden. Adoptivmutter Torry Hansen wurde zur Zahlung von 150.000$ verurteilt. Darin enthalten sind Unterhaltszahlungen sowie eine Schadensersatzforderung der Vermittlungsstelle. Zwar wurde die Adoption in Russland annulliert; in den USA ist sie jedoch weiterhin Grundlage für Unterhaltszahlungen. Der Vermittlungsstelle wurden tatsächlich 40.000$ Schadensersatz zugestanden.

Anyelí Liseth Hernández Rodríguez wurde im Alter von zwei Jahren in Guatemala entführt und zur Adoption in die USA gebracht. Ihre Mutter suchte jahrelang nach ihrer Tochter und konnte sie ausfindig machen.  Ein Gericht in Guatemala verurteilte nicht nur diejenigen, die an dem Kinderhandel beteiligt waren sondern verfügte auch die Rückkehr der Tochter. Nun hat das amerikanische State Department reagiert und beschlossen, dass das Kind seinen Eltern nicht wieder zurückgegeben werden muss. Nach Angaben des State Departments sei zum Zeitpunkt der Entführung die Haager Konvention noch nicht ratifiziert gewesen. Daher finde sie in diesem Fall keine Anwendung.  Die Mutter versucht nun, die Herausgabe gerichtlich in den USA zu erreichen.

Kairi Abha Shepherd ist von Ausweisung nach Indien bedroht. Sie wurde im Alter von drei Monaten im Jahr 1982 in die USA adoptiert. Ihre Adoptivmutter starb 1991, ohne für ihre Tochter die amerikanische Staatsbürgerschaft beantragt zu haben. Das Kind kam in Pflege und wurde als Erwachsene straffällig. Sie kann nun in ein Land ausgewiesen werden, in das sie keine Verbindungen hat und dessen Sprache sie nicht spricht.

In allen drei Fällen gibt es ein zum Teil dramatisches Fehlverhalten von Adoptiveltern. In den Fällen von Artyom Hansen und Kairi Abha Shepherd waren die Adoptivmütter alleinstehend und mit ihren Kindern überfordert. (Das soll in keiner Weise das Verhalten von Torry Hansen entschuldigen.) Die ablehnende Haltung der Adoptiveltern von Anyelí Liseth Hernández Rodríguez gegenüber der leiblichen Mutter ist zwar verständlich aber falsch.

Alle drei Fälle sind zwar extrem aber keine Einzelfälle. Es gibt Schätzungen, dass bis zu 200 russische Adoptivkinder wieder nach Russland gebracht wurden. Auch Anschuldigungen von Kindesentführungen in Guatemala sind weiter verbreitet als man denkt. Ebenso sind eine ganze Reihe von amerikanischen Adoptivkindern von Ausweisung bedroht.

Montag, 14. Mai 2012

"Emotionale Familienangehörige " - US Botschaft trifft Vermittlungsagenturen

Das amerikanische Außenministerium hat eine Zusammenfassung einer Besprechung der US-Botschaft in Addis Abeba mit Vermittlungsagenturen auf seine Webseite gestellt. Bei der Besprechung um 18. April 2012 ging es unter anderem um Interviews, die die Botschaft mit Angehörigen zur Adoption freigegebener Kinder durchführt. Bei diesen Interviews stellen die Beamten der Botschaft immer wieder fest, dass die Angehörigen glauben, dass die Kinder im Alter von 18 Jahren wieder nach Äthiopien kommen. Wenn sie dann darüber informiert werden, dass Adoptionen die Familienbande für immer auflöst und sie nicht auf eine Rückkehr hoffen sollen, werden Familienangehörige oftmals sehr emotional:

"Our office conducts birth relative interviews for most relinquishment cases, and conducts interviews with local officials and police for most abandonment cases. The purpose of these interviews is to confirm the child’s orphan status and, in relinquishment cases, to ensure that the relinquishing parent or family member fully understands the relinquishment process. During these interviews, we continue to encounter birth relatives who have been told that a child will return to Ethiopia at the age of 18. When informed that intercountry adoption is a permanent severing of a familial relationship and that there should be no expectation of the child’s return, birth relatives often become very emotional."

Als allgemeine Trends und Diskussionspunkte werden angegeben:
  1. Eine Zunahme von verlassenen anstatt abgegebener Kinder.
  2. Ganze Kindergruppen, die von einem Dorf gleichzeitig abgegeben werden.
  3. Adoptionsverträge, die unterschrieben werden, bevor das Kind überhaupt zur Adoption freigegeben wurde. 
 Leider hört sich die Besprechung nicht danach an, als hätten sich die ethischen Probleme der Vermittlungspraxis der letzten Jahre merklich verbessert.

Mittwoch, 9. Mai 2012

Erfahrungswerte

Im Laufe der Zeit sammeln Adoptiveltern eine Menge Erfahrungen sowohl mit ihren eigenen Kindern als auch durch die Gespräche mit anderen Adoptivfamilien. An dieser Stelle geben wir einige Beispiele dafür, was wir selbst gerne gewusst hätten, bevor wir unsere Kinder in Empfang genommen haben.

1. Adoptiveltern brauchen Training und Aufklärung. Zurzeit funktioniert die Vorbereitung von Adoptiveltern vielfach nach dem Prinzip Hoffnung, dass schon alles gut gehen wird. Während dies in der Mehrheit der Adoptionen auch der Fall sein kann, führt es jedoch in denen Fällen, in denen es schief geht, zu falschen Reaktionen. Adoptiveltern müssen von Beginn an dafür sensibilisiert werden, dass traumatisierte Kinder anders erzogen werden müssen als leibliche Kinder.

2. Für eine solche Vorbereitung gibt es jedoch jenseits der praktischen Tipps und der Erfahrungsliteratur nur wenig Lektüre oder Weiterbildung. Angehende Adoptiveltern, die ja auch hoffen, dass alles gut gehen wird, sind leider auch nicht wirklich daran interessiert. "Survival Tipps für Adoptiveltern", von Christel Rech-Simon und Fritz B. Simon, und die Bücher von Bettina Bonus gehören in die Bücherregale aller Adoptiveltern.

3. Nicht jedes adoptierte Kind ist traumatisiert, aber jedes Adoptivkind braucht besondere Nähe und Möglichkeiten des Kleinkindseins. Selbst Neun- oder Zehnjährige werden hin und wieder zum Baby oder schauen sich Bilderbücher an. Sie brauchen in diesem Moment die Nähe und den Schutz eines Kleinkinds.

4. Adoptionen betreffen die gesamte erweiterte Familie nicht nur die Kernfamilie. Bereits vorhandene Kinder müssen eine neue Stellung in der Familie finden.

5. Das Alter des Kindes zum Zeitpunkt der Adoption sagt nichts über den Grad seiner Traumatisierung aus. Kleine und große Kinder können traumatisiert sein. Kleine Kinder können ihre Gefühle jedoch nicht mit Worten ausdrücken. Bei gleichzeitig adoptierten Geschwisterkindern ist es oftmals das kleinere Kind, das größere Schwierigkeiten hat.

6. Ältere Kinder haben dafür andere Anpassungsschwierigkeiten. Das deutsche Schulsystem hat nur wenig Toleranz gegenüber Kindern, die anders sind als die Norm.

7. In der Adoptionsliteratur gibt es sowohl Fachwissen wie auch Ideologien. Beides ist nicht immer einfach voneinander zu trennen. Ideologien schüren Konflikte zwischen verschiedenen Teilen des Adoptionsdreiecks.

8. Es gibt gescheiterte Adoptionen, aber unseres Wissens nach keine Untersuchungen darüber, warum und unter welchen Bedingungen Adoptionen scheitern. Der hohe Kostenaufwand, die langen Wartezeiten und großen Entfernungen in internationalen Adoptionen machen es sehr schwer, einen Kindervorschlag abzulehnen. Nicht für alle vermittelten Kinder ist unserer Erfahrung nach eine Adoption wirklich die beste Lösung.


Freitag, 4. Mai 2012

Soll man aus Äthiopien adoptieren?

Ein Beitrag von EJ Graff in The American Prospect argumentiert gegen Adoptionen aus Äthiopien. Ihre Gründe basieren auf der unseligen Dynamik, die einsetzt, wenn große Summen Geld von einem reichen Land in ein armes Land fließen: es entsteht ein neues Geschäftsmodell, in dem skrupellose Mittelmänner durch die ländlichen Gebiete Äthiopiens ziehen und arme Familien überreden, ihre Kinder zur Adoption freizugeben. Ein typisches Muster sind Familien, in denen ein Elternteil stirbt und das Kind Stiefeltern bekommt, die sich nicht um das Kind kümmern können oder wollen.

Diese Familien werden zudem mit Versprechen geködert, von denen die Adoptivfamilien nichts wissen. Die leiblichen Verwandten denken, dass ihr Kind später Geld schicken wird oder zumindest durch das Kind eine Verbindung in ein reiches Land aufgebaut wird, dass sich für die Familie vorteilhaft auswirkt. Diese Vorstellung ist auch nicht unrealistisch. Immer mehr arme Länder leben von den Geldsendungen von Arbeitsmigranten. Ungefähr 2 Millionen Äthiopier leben im Ausland. Die Weltbank schätzt, dass 14 Prozent der Äthiopier regelmäßige Geldsendungen aus dem Ausland erhalten mit einem Durchschnitt von 600 Dollar im Jahr. Warum sollten Adoptionen nicht ein weiterer Weg von Geldsendungen and äthiopische Familien sein?

Das Einsammeln von Kindern im Gegenzug mit Versprechen von finanzieller Unterstützung ist eines der Hauptprobleme von Adoptionen aus Äthiopien. Es ist jedoch nicht das einzige. Die Verflechtung von politischen Interessen im Adoptionsprozess, der Mangel an rechtstaatlichen Standards und Verfahren ist ein weiteres. Sollte man von Adoptionen aus Äthiopien derzeit absehen?

In jedem Fall sollte man in einer Adoption aus Äthiopien kein ethisch einfaches Unterfangen zur Familiengründung sehen. Man sollte, wie an dieser Stelle schon mehrfach betont, Fragen stellen und sich auf die entsprechenden Diskussionen einlassen. Man sollte davon ausgehen, dass es eine erweiterte Familie des Kindes gibt, mit dessen Schicksal man sein eigenes Leben unmittelbar verknüpft. Das kann in einer Verantwortung für weitere Geschwister im Land, in finanzielle Unterstützung, aber auch in der Betreuung anderer Familienmitglieder in Deutschland münden. Derzeit fehlen die Verfahren, um ein gutes Verhältnis zur ersten Familie aufzubauen und zu pflegen. Darauf hinzuarbeiten ist die Aufgabe derjenigen, die auch in Zukunft sich für internationale Adoptionen einsetzen wollen.