Mittwoch, 22. August 2012

Gescheiterte Adoptionen

Informationen über gescheiterte Adoptionen sind rar. Nur selten sind Betroffene bereit über das Erlebte zu sprechen und Studien zum Thema werden kaum nachgefragt. In den USA machte die Autorin Joyce Maynard im April diesen Jahres ihren Entschluss öffentlich, ihre zwei aus Äthiopien adoptierten Töchter in eine andere Familie abzugeben. Über die Gründe wurde nichts bekannt. Maynard hatte im Alter von 55 Jahren als geschiedene Mutter erwachsener Kinder zwei Mädchen, 6 und 11 Jahre alt, adoptiert. Nach etwas über einem Jahr gab sie sie in eine neue Familie ab. Es sei die schwerste Entscheidung ihres Lebens gewesen, aber manchmal gebe es einfach keine andere Lösung als die Trennung, schrieb sie auf ihrer website. Maynard wurde dafür heftig kritisiert und als Egoistin dargestellt, der es nie um die Kinder sondern immer nur um sich ging.

Ein Artikel in Today Moms  greift die Geschichte von Maynard auf, um über Erfahrungen mit gescheiterten Adoptionen zu berichten. Eine Studie in den USA geht von Abbruchquoten von 6 bis 11 Prozent aus. Je älter das Kind bei der Adoption desto höher ist die Gefahr des Scheitern. Für Kinder älter als 3 Jahre beträgt die Quote zwischen 10 und 10% und für Teenager bis zu 24%.

Ein bestimmter Typ Eltern ist eher bereit eine Adoption abzubrechen. Jüngere und unerfahrenere Eltern sowie Eltern, bei denen beide Partner berufstätig sind, geben schneller auf. Wohlhabende Eltern und besonders gut gebildete Mütter führen auch zu einer größeren Wahrscheinlichkeit, dass die Adoption scheitert. Man vermutet, dass beruflich erfolgreiche Eltern eine geringere Toleranzschwelle für ihre Kinder haben.

Was passiert bei einer gescheiterten Adoption? Wenn das Kind bereits rechtskräftig adoptiert ist, ist es mit einer Abgabe eines leiblichen Kindes gleichzusetzen. Eine Rückkehr in das Heimatland des Kindes ist bei internationalen Adoptionen nicht vorgesehen, obwohl es mehrere Fälle davon gibt - sowohl in Äthiopien als auch in anderen Ländern.

Eine gescheiterte Adoption ist für Eltern und Kind sehr schmerzhaft. Ihr gehen oft Therapien und andere Lösungsversuche voraus. Manche Kinder sind zu traumatisiert, um sich in eine Familie einzugliedern. Manche Eltern sind zu unerfahren, um mit schwierigen Kindern umzugehen. Dennoch trägt das Kind die größere Last. Für das Kind es die zweite große Ablehnung, die es in seinem Leben erfährt. Wir wünschen den Töchtern von Joyce Maynard alles Gute in ihrer neuen Familie.

 

Dienstag, 21. August 2012

Meles Zenawi verstorben

Nach Berichten der BBC ist Meles Zenawi, Premierminister von Äthiopien, in Brüssel im Alter von 57 Jahren verstorben. Über seine Krankheit war seit Wochen spekuliert worden, nachdem er im Juli bereits nicht mehr öffentlich aufgetreten war.

Meles Zenawi kam 1991 durch einen Putsch gegen den kommunistischen Machthaber Mengistu Haile Mariam an die Macht. Nachdem er in den neunziger Jahren Äthiopien gegenüber dem Westen geöffnet hatte, waren die letzten Jahre von zunehmender politischer Repression in Äthiopien geprägt. Er war ein enger Verbündeter der USA und verhandelte hunderte Millionen Dollar Hilfeleistung im Gegenzug für die Errichtung amerikanischer Militärstützpunkte im Horn von Afrika.

Ein Nachruf der BBC findet man hier.

Sonntag, 19. August 2012

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Ein Bekannter, Engländer, der lange in Westafrika gelebt und dort als Lehrer gearbeitet hat, erzählt:

In Kamerun hat mir einmal jemand etwas anvertraut. "Wir Afrikaner, vor allem, wenn wir auf dem Land leben, haben praktisch keine Privatsphäre. Wir teilen den Raum mit der Familie, die Wände sind dünn, und wenn wir ins Freie treten, ist da gleich das ganze Dorf.
Glaub mir, jeder von uns hat darum ein fest abgeschlossenes Inneres, in das er keinem Menschen Einblick gewährt, keinem. Du kommst bei uns schnell mit Leuten in Kontakt, du kannst Freunde finden, Beziehungen begründen, aber niemand wird sich dir eröffnen, so wie du es vielleicht aus Europa kennst. Wie es im eignenen Innern aussieht, geht niemanden etwas an. Mehr sage ich Dir dazu nicht."

Wenn das so stimmt und verallgemeinerbar ist, wie sollen dann z.B. unsere (redebasierten) Therapien bei traumatisierten Kindern greifen? Wie kann sich trotzdem Bindung entwicklen, wie Vertrauen einstellen? Oder ist solch eine Weisheit nur eine Dämonisierungsform, um so wirkmächtiger, je mehr Phänomene (z.B. die Prüderie afrikanischer Gesellschaften) sie zu erklären behauptet?