Montag, 21. Januar 2013

Rassismus in deutschen Kinderbüchern

Seit einer Woche tobt im deutschen Feuilleton eine Debatte zwischen dem Recht auf rassistischer Sprachausübung auf der einen Seite und dem Recht der Kinder ohne altbackenem Sprachgebrauch aufzuwachsen auf der anderen.

Nachdem Familienministerin Schröder öffentlich dafür plädierte, Kindern keine rassistisch besetzten Begriffe in Kinderbüchern vorzulesen und Kinderbuchverlage ankündigten, Klassiker der Kinderbuchliteratur auf rassistische Begriffe zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten, wurde von Literaturkritikern und Journalisten nicht nur der Untergang des Abendlands sondern auch die Vorherrschaft des political correctness und das Einläuten des Orwellschen 1984 ausgerufen.

Erschreckende Kommentare und Positionen werden seitdem in der deutschen Qualitätspresse verbreitet: Die ZEIT titelte sogar mit dem Thema; auf Spiegelonline durfte Jan Fleischhauer die deutschen Kinderbücher auf dem Weg zur Trottelsprache sehen. Harald Martenstein durfte bei dem Konzert nicht fehlen: auch er polterte er im Tagesspiegel gegen die vermeintliche Zensur. In den dazugehörigen Kommentaren wurde auf dem Recht auf die Nutzung von "Neger" als neutraler Bezeichnung beharrt. Nach einer Umfrage der Bildzeitung ist eine knappe Mehrheit der Deutschen für die Entfernung rassistischer Begriffe aus Kinderbüchern; allerdings sind insbesondere Hochgebildete dafür die Bücher so zu belassen, wie sie sind. Je höher gebildet, desto eher hängt man am "Negerkönig" in Pippi Langstrumpf. Man müsse den Kindern halt beim Vorlesen den historischen Kontext erklären!

Den Feuilletonisten (und den Hochgebildeten) geht es weder um ihre noch um andere Kinder sondern um die Bewahrung einer vermeintlich heilen Kindheit, die sie mit den Originalausgaben der Klassiker verbinden. Dass die Objekte der mit rassistischen Begriffen belegten Geschichten mittlerweile längst unter uns sitzen, wird ihnen dabei noch nicht einmal bewusst. Wie es schwarzen Kindern beim Singen von den 10 kleinen Negerlein oder den wilden Negern auf den Südseeinseln bei Pippi Langstrumpf ergeht, ist ihnen auch eher egal. Hauptsache sie dürfen sagen, was sie schon immer im Sprachgebrauch hatten. Sie, die Herrscher über die Kommentarspalten und Kulturseiten, bestimmen die Gepflogenheiten der deutschen Sprache; nicht diejenigen, die nicht über Sprache diskriminiert, ausgegrenzt, belächelt oder angefeindet werden wollen.

Aber mit der Gesellschaft wandelt sich auch die Sprache. Deutsche Kindergärten sind nicht mehr ausschließlich von blonden und weißen Kindern bevölkert. Weder wird das Feuilleton die Ausbreitung der Kanak-Sprak verhindern noch werden die Kritiker die Modernisierung der Kinderbücher langfristig aufhalten. Die Verlage wollen die Auflagen der Kinderbuchklassiker überarbeiten, weil ansonsten Kindergärten und Grundschulen diese Bücher nicht mehr kaufen werden. Warum sollten sich Erzieherinnen mit einer undankbaren und unsinnigen Diskussion aufhalten, wenn sie den Kindern erklären, warum in einem bestimmten Buch ein längst überholter und im Sprachalltag nicht zu benutzender weil rassistischer Begriff auftaucht? Als Einführungsseminar in die Germanistik mit Migrantenkindern vielleicht?

Das Negerlein in der kleinen Hexe ist einfach kein guter Sprachgebrauch und noch dazu braucht ihn das Buch nicht. Noch weniger brauchen wir allerdings bornierte und selbstverliebte Literaturkritiker.


 

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